Demonstration und Info zum Safe Abortion Day in Weiden/Oberpfalz. Bild: Beate Luber

Zu wenig oder schlechte Beratung, zu wenig Ärzt*innenwer in der Oberpfalz wohnt und einen Schwangerschaftsabbruch machen lassen will, hat viele Hindernisse. Eine Abtreibung ist nie einfach für eine Frau. Doch die Gesetzeslage kriminalisiert Frauen und Ärzt*innen zusätzlich. Doch es gibt viel Protest gegen §218 und §219.

Von Ruth Ockl

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche nach §218 StGB eine Straftat. Unter bestimmten Bedingungen, wie einer vorherigen Beratung, bleibt die Abtreibung zwar straffrei. Trotzdem nimmt das Gesetz der Frau ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Wenn jedoch Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert werden, führt das nicht zu weniger Abbrüchen. Wenn „Lebensschützer“ Zellhaufen retten wollen, sorgen sie lediglich für Gefahrensituationen, in denen sich ungewollt Schwangere wiederfinden. Wenn kein Zugang zu sicheren, medizinisch begleiteten Abbrüchen besteht, greifen Betroffene zu verzweifelten, gefährlichen Methoden.

Holzstäbe für illegale Abtreibungen. Quelle: Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch https://www.muvs.org/media/filer_public/16/d1/16d1d5c4-3937-4967-b0f3-2a2f6cb224a4/holzstaebe_04_dl.jpg

Das berüchtigte Beispiel dafür sind Metallkleiderbügel, die heute ein internationales Symbol der pro Choice Bewegung sind. Im Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch Wien sind zahlreiche weitere ausgestellt: Ärzt*innen, die trotz des früheren Verbots Abtreibungen vornahmen, verwendeten Instrumente, die ursprünglich für Ohren entwickelt wurden, Klistierspritzen oder Harnkatheter. Privat wurden, neben Kleiderbügeln, Stricknadeln oder Fahrradspeichen, sogar Holzstäbchen verwendet. Auch mithilfe von chemischen Substanzen, wie Kalilauge, Glyzerin und Zitronensäure wurden Schwangerschaftsabbrüche eingeleitet. Das alles bringt natürlich ein erhebliches gesundheitliches Risiko mit sich.

Ein Glück, dass wir heute Zugang zu medizinisch sicheren Methoden haben! Wobei, eigentlich ist der Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch reines Glücksspiel – Im Atlas liegen oft nur wenige Zentimeter zwischen Entkriminalisierung und Strafrechtlicher Verfolgung. Alleine im oft so fortschrittlich gepriesenen Europa sind Abbrüche in Andorra, Nordirland, Liechtenstein, Monaco, Malta, Polen und San Marino entweder vollständig verboten oder nur bei lebensgefährlichen und aus Vergewaltigungen resultierenden Schwangerschaften erlaubt. In vielen Teilen Südamerikas, Afrikas und Südostasiens ist die Situation ähnlich – Betroffenen bleibt nur der Kleiderbügel.

Quelle: Statista http://cdn.statcdn.com/Infographic/images/normal/13680.jpeg

Die WHO geht jährlich von 25,5 Millionen Abbrüchen unter medizinisch unsicheren Bedingungen aus, das entspricht beinahe der Hälfte der insgesamt durchgeführten Abbrüche. 25,5 Millionen Schwangere, die sich einem unsicheren Abbruch aussetzen müssen, ist eine schreckliche Zahl.

Stigmatisierung in der Gesellschaft und ihre Wurzeln

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche seit den frühen 90er Jahren entkriminalisiert, so lange sie unter gewissen Bedingungen stattfinden. Das bedeutet: Grundsätzlich wird das künstliche Beenden einer Schwangerschaft noch immer als Verbrechen angesehen. Wer einen Abbruch vornehmen lassen will, wird strafrechtlich nur nicht verfolgt, wenn ein streng regulierter Ablauf befolgt wird. Liegt keine medizinische Indikation für das Beenden der Schwangerschaft vor, ist ein vorheriges Beratungsgespräch bei einer registrierten Stelle Pflicht. Da diese Gespräche teilweise auch von christlichen Organisationen durchgeführt werden, sind Betroffene schon im ersten Schritt mit gesellschaftlicher Stigmatisierung konfrontiert: bei Donum Vitae zur Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens e.V. zum Beispiel, die auch eine mehrere Beratungsstelle in der Nordoberpfalz, unter anderem in Weiden und Amberg, haben. Donum Vitae ist eine christliche Organisation mit mehr als 200 deutschlandweiten Standorten. Dort ist das Ziel eines Beratungsgesprächs das Lebensrecht des „ungeborenen Kindes“. Alleine diese Zielsetzung spricht Betroffenen bereits ihre Autonomie ab, greift ein in das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Ungewollt Schwangere haben wenig Ansprechpartner*innen, sollte nicht gerade das Beratungsgespräch ein neutraler Ort sein, in dem Ängste und Gefühle kommuniziert werden können?

Die Situation in der Oberpfalz

Auf dem Land und im katholisch geprägten Süden Deutschlands ist die Situation für ungewollt Schwangere allgemein schlechter als sonst. In der Oberpfalz gibt es insgesamt 13 anerkannte Beratungsstellen. Der Großteil davon ist Teil des jeweiligen Gesundheitsamts, drei sind Teil des christlichen Vereins Donum Vitae. Lediglich in Regensburg existiert eine Pro familia Stelle.

Im gesamten Regierungsbezirk gibt es zwei gynäkologische Praxen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, beide befinden sich in Regensburg. Die allgemein schlechte Versorgungslage in Ostbayern führt jedoch häufig zu langen Wartezeiten, dennoch sind entkriminalisierte Abbrüche in Regensburg nur bis zur 10. statt der 14. Woche möglich. Claudia Alkofer, Leiterin von Pro familia Regensburg, berichtet bei Regensburg Digital, dass es durch diese Regelung auch zu zeitlichen Schwierigkeiten kommen würde. Thoralf Ricke vom Profamilia-Landesverband Bayern bestätigt auf Anfrage von hinterlandrauschen.de, dass es in der gesamten Oberpfalz derzeit nur 2 Ärzt*innen gebe, die Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung durchführen. Ebenso würden in der gesamten Oberpfalz an  keiner Klinik Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt, auch nicht am Uniklinikum. Auch in Niederbayern fänden Frauen keine Kliniken, die Abbrüche durchführen und nur eine Ärzt*in, die bis zum Ende der gesetzlichen Frist von 12 Wochen Abbrüche durchführt.

Kliniken, in denen Abbrüche angeboten werden, gibt es erst in München und Nürnberg. In Passau, in dem es jetzt wieder, nach monatelanger Lücke, ein einziges ambulantes Angebot gibt, dürfen Kliniken nicht einmal Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Dass Selbstbestimmungsrechte in der Region noch stärker als laut deutschen Gesetzes eingeschränkt werden liegt wohl auch an dem massiven Einfluss bekannter Abtreibungsgegner. Regensburger Bischof Rudolf Vorderholzer predigt 2017 auf dem in Berlin abgehaltenen „Marsch für das Leben“ über Freiheitsrechte, die er mehr dem „ungeborenen Leben“ – einem Zellhaufen – zuspricht als ungewollt Schwangeren. Stefan Oster, Bischof von Passau, schickt Grußworte. Auch die AfD Nahe Gloria von Thurn und Taxis ist starke Abtreibungsgegnerin, wobei für sie bereits Verhütungsmethoden Mord sind. Sie befürwortet den umstrittenen ProLife Film „unplanned“ und unterstützte den Schwangerschaftsfonds Kultur des Lebens, ein Projekt der Stiftung Ja zum Leben. Insgesamt gibt es in Bayern 16 Vereine, die sich gegen Schwangerschaftsabbrüche einsetzen.

Ärzt*innen werden nicht ausgebildet und kriminalisiert

Die Stigmatisierung und rechtliche Lage erschweren auch den Zugang zu geeigneten gynäkologischen Praxen. Paragraph 219a des Strafgesetzbuches verbot Ärzt*innen bis vor 3 Jahren überhaupt nur anzugeben, dass sie Abbrüche vornehmen, noch heute dürfen sie nicht über Abtreibungsmethoden informieren. Die Gynäkologin Kristina Hänel, die auf ihrer Website Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stellte, wurde auf Grund dieses Verbotes bereits mehrmals verurteilt.

Logo der Kampagne gegen §218.

Vor einigen Jahren waren die zuverlässigsten Quellen, wo Abbrüche überhaupt durchgeführt werden Abtreibungsgegnerforen, in denen sich Betroffene mit zusätzlichem Hass und Fehlinformationen auseinandersetzen mussten. Mittlerweile gibt es glücklicherweise feministische Organisationen, die sich mit der Informationsvermittlung über Schwangerschaftsabbrüche auseinandersetzen. Dennoch bleibt das absurde „Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche“ Teil des deutschen Strafrechts.

Auch das Gesundheitssystem legt Betroffenen unnötige Steine in den Weg: Wer einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lässt, muss die Kosten, die zwischen 200€ bis 500€ liegen, in der Regel selbst tragen. Zusätzlich zu der teils schwerwiegenden ökonomischen Belastung gibt es immer weniger gynäkologische Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche überhaupt anbieten. Die medizinische Versorgungslage verschlechtert sich, da Abtreibungen nicht Teil des Lehrplans in der Gynäkologie sind. Aktuell Praktizierende treten in den Ruhestand ein, doch die neue Generation bleibt aus.

Die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist kein rein gesellschaftliches Problem, das aus historischen Umständen entstand, sondern wird von staatlicher und medizinischer Seite massiv aufrechterhalten. Eine Legalisierung, vereinfachter Zugang zu Behandlungen und der Ausschluss religiöser Organisationen aus dem Prozess wären die einfachsten Schritte, um dem entgegen zu wirken.

Schwangerschaftsabbrüche sind ein Tabuthema, obwohl sie weit verbreitet sind. Jährlich werden in Deutschland um die 100.000 Abbrüche vorgenommen, dennoch fühlen sich die meisten Betroffenen in großen Teilen des Prozesses alleine gelassen. Wir müssen mehr über dieses Thema sprechen, öffentlich und privat. Wir müssen die vielen Hürden anklagen, die ungewollt Schwangeren in den Weg gelegt werden, wir müssen unsere Freund*innen unterstützen und unsere Erfahrungen austauschen, damit Abbrüche diskutiert und akzeptiert werden und die Autonomie über den eigenen Körper endlich auch vollständig Teil der Gesetzeslage wird.

Weitere Informationen:

Wegmit218: https://wegmit218.de/

Informationsflyer: https://www.online-zfa.de/fileadmin/user_upload/Haenel-Informationen_zum_Schwangerschaftsabbruch_MMK.pdf

Pro familia Regensburg: https://www.profamilia.de/angebote-vor-ort/bayern/regensburg

Beratungsstellen in der Oberpfalz: https://www.stmas.bayern.de/schutz-ungeborenes-leben/beratung/index.php#sec6