Die Weidener Grundrechte-Aktivisten mobilisieren fleißig für die Berliner Corona-Demo am 29. August. “Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung” ist das Motto. In der Telegram-Gruppe geht es jedoch auch um Gewalt, Verschwörungen und Antisemitismus.

Friedenstauben auf der Webseite Friedenshelden werben für die Friedensdemo.
Screenshot aus: https://friedenshelden.de/

Auf ihrer neuen Webseite “Friedenshelden” organisieren die Weidener Grundrechte-Aktivisten für die Berliner Demo wieder eine Busfahrt, wie schon am 1. August. An diesem Tag wehten in der Hauptstadt Regenbogen- neben Reichsbürgerflaggen.

Auf der Webseite “Friedenshelden” schmücken Friedenstauben dem Demo-Aufruf, Bilder von nachdenklichen Müttern in Ökoklamotten und spielenden Kindern sind auf den Seiten zu sehen. Sie suggerieren Frieden und Eintracht, die 68er-Hippie-Bewegung übersetzt ins 21. Jahrhundert.

Dieses idyllische Bild bricht, wenn man sich einen Post aus der internen Telegram-Gruppe der Weidener Grundrechte-Aktivisten näher anschaut. Das Bündnis “Oberpfalz gegen rechts” hat ihn auf Facebook öffentlich gemacht.

Screensshot des Facebook-Posts

Es spricht von Gewalt, Verschwörungen und Antisemitismus. Was da alles so drinsteckt, schauen wir uns mal genauer an.

Fantasiezahlen: 10.000.000 statt 17.000

Die Zahl 10 Millionen hat der Querdenken-Pressesprecher Michael Ballweg aufgebracht. Auch das rechtsextreme Compact-Magazin erwartet mehrere Millionen. Die Zahl dürfte ähnlich übertrieben sein wie die 1,3 Millionen, die bei der Demo am 1. August vermutet wurden. Laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat der Veranstalter für den 29. August 17.000 Teilnehmer angemeldet.

Reichsbürger-Ideen

Der Autor spricht von einer Gruppe namens “Shaef”. Die Abkürzung steht für “Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force”, das Hauptquartier der Alliierten in Europa, das 1943 eingerichtet und nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht 1945 aufgelöst wurde.

Was hat das nun mit einer Demo gegen Covid-19-Maßnahmen im Jahr 2020 zu tun? Es fügt sich ein in die Ideologie der Reichsbürger-Bewegung, nach der Deutschland im geheimen immer noch von den Alliierten besetzt ist. Die Ideen der Reichsbürger sind, wie die Antonio-Amadeu-Stiftung betont, stark verknüpft mit antisemitischen Stereotypen.

Warum die Alliierten Interesse daran haben, Antifa-Mitglieder zu ermorden, ist etwas unklar. Der Zweck dieser Analyse ist aber auch nicht, den Telegram-Text logisch zu erklären, sondern seine ideologischen Hintergründe zu erfassen.

Antisemitische Mythen

Der “Deep State” ist eines der wichtigsten Schlüsselwörter der Verschwörungstheorien. Bestimmten Gruppen wird vorgeworfen, den Staat zu unterwandern, einen “Staat im Staate” zu gründen, seien es Militärs, Geheimbünde oder nationale und andere Minderheiten. Oft sind, wie in vielen verschwörungstheoretischen Erzählungen, “die Juden schuld”. Auch in diesem Post gibt es starke Hinweise auf antisemitische Stereotype. Mit der Idee, dass Grundwasser verunreinigt wird, bezieht er sich auf eine weitere Verschwörungstheorie, die viel älter ist. Mitte des 14. Jahrhundert, zur Zeit der großen Pestepidemie, wurde Juden vorgeworfen, Brunnen in weiten Teilen Europas vergiftet zu haben, was zu einem Massenmord an der jüdischen Bevölkerung führte.

Was Mecklenburg-Vorpommern nun im besonderen damit zu tun hat, belassen wir lieber im Inneren des Kaninchenbaus.

Floskeln der Patrioten

Und wieder mal soll “am deutschen Wesen die Welt genesen”, wie bereits im 19. Jahrhundert gedichtet wurde. Der Absatz ist klar von völkisch-patriotischer Sprache geprägt, garniert mit dem Ausspruch “Wir sind das Volk”, der zuletzt bei rechtspopulistischen Pegida-Demos beliebt war.

Friedenstauben für Gewalt

Dieser antisemitisch geprägte, verschwörungs- und reichsideologische Telegram-Post passt nicht zu den idyllischen Visionen der “Friedenshelden”, deren Seite von esoterische Motiven überflutet ist.

Friedensvision auf Yin-Yang-Zeichen auf strahlender Sonne, die aus Wolken hervorsteigt.
Screenshot aus: https://friedenshelden.de/vision/

Doch die Besucher und Organisatoren von Chat, Webseite und Demos überschneiden sich. Auf den Demos versammeln sich AfD-Funktionäre wie Jürgen Spielhofen und Stefan Löw. Dort werden Journalisten (in diesem Fall die Autorin) angegriffen und Verschwörungstheorien verbreitet. Dort sind vielleicht auch Hippies, aber sie stehen zusammen mit Rechtsextremen. Dass sich diese Weltanschauungen nicht unbedingt ausschließen, betont Rechtsextremismusexperte Marius Hellweg im Interview mit dem RND:

Bei der Berichterstattung über die Demos scheint die Wahrnehmung vorzuherrschen, dass sich dort vereinzelt Rechtsextreme unter eine esoterische Demonstration gemischt haben. Man muss hier ganz deutlich sagen, dass es eine große Schnittmenge zwischen diesen Milieus gibt und die offen rechtsextrem auftretenden Personen auch vom Rest der Demonstrant*innen zugelassen wurden.

Marius Hellweg im Interview mit dem RND: “Tanzende Hippies auf Corona-Demos”

Auch der Rest der Weidener Telegramgruppe lässt diesen reichsideologischen, wirren, verschwörungstheoretischen Post zu. Das einzige Feedback: ein Daumen-hoch-Emoji.