Wer keine Berichterstattung will, hält einfach die Kamera zu. Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit in Weiden. Screenshot: Youtube

Der Hass nimmt zu. Im Netz, auf den Demos, in der Gesellschaft. Ziel sind immer wieder Journalisten, zeigt eine Studie. Auch ich wurde als Journalistin in Weiden/Oberpfalz auf einer Demo attackiert. Überregionale Medien und internationale NGOs berichten darüber. Doch die lokale Politik, Polizei und Presse ist still. Das geht besser.

Es ist komisch, immer wieder über sich selbst zu berichten. Doch es geht nicht um mich, sondern um die Pressefreiheit in Weiden/Oberpfalz. Am 12. Juli wurde ich als Journalistin auf einer Demo gegen Corona-Maßnahmen von Teilnehmern attackiert. Die Polizisten vor Ort konnten mich nicht schützen, hat mich dazu noch kritisiert. Das Video zeugt davon.

Eine neue Studie der Universität Bielefeld zeigt, dass Hass und Angriffe auf Journalisten immer weiter zunehmen. Rund 60 Prozent der Befragten haben Erfahrungen damit gemacht, das reicht von Hasskommentaren in den Sozialen Medien bis zu Morddrohungen.

Bei einem Pressegespräch in München wird klar, wie massiv der Hass im Netz ist. Anna-Lena von Hodenberg ist Geschäftsführerin von Hate-Aid, die Betroffenen von Gewalt im Netz hilft. Sie erzählt von Journalistinnen, die einen Link zu einem Hardcore-Porno-Video bekommen. Auf einer der Darstellerinnen ist ihr Kopf draufmontiert. Betroffene bekommen Bilder von ihren Haustüren zugesendet, von ihren Kindern. Die Angriffe dringen ganz tief in die Intimsphäre vor. Journalistinnen seien häufiger betroffen, vor allem von sexualisierter Gewalt. “Ich habe noch nie gesehen, dass ein heterosexueller weißer Mann Vergewaltigungsandrohungen bekommt”, sagt von Hodenberg. Massiv stiegen die Beleidigungen, wenn es sich um lesbische oder migrantische Frauen handeln.

Der Hass wird immer mehr, auch das hat das Pressegespräch gezeigt. Die Studie zu Gewalt gegen Journalist*innen ist von 2019. Doch die Vorfälle bei den Hygienedemos in Berlin und anderswo zeigen schon, dass Angriffe immer mehr werden. “Es ist eine neue Dimension, die da anrollt”, sagt Professor Andreas Zickl, Leiter des Bielefelder Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung. “Es ist die zweite Welle”, sagt Anna-Lena von Hodenberg. Die erste Welle von Hass entstand 2015 während der Flüchtlingskrise. Hate Speech gehöre “zur Strategie des organisierten Rechtsextremismus”, macht Anna-Lena von Hodenberg klar. Und auch die Bielefelder Studie zeigt, dass die Angriffe auf Journalisten von rechts kommen.

Diejenigen, die über Fragen der Migration, Integration und den Hass in der Gesellschaft berichten, werden zum Feindbild auch derer, die diesen Hass schüren und diese Themen selbst zu besetzen versuchen. Dabei handelt es sich laut den Ergebnissen der Studie insbesondere um rechtspopulistische und extrem rechte Personen und Gruppierungen.

Aus der Studie “Hass und Angriff auf Medienschaffende” 2019

Eine Folge dieser Angriffe ist der sogenannte “Silencing Effekt”. Journalisten ziehen sich von bestimmten Themen zurück, denken genauer nach, wie sie etwas schreiben, weil sie Angst vor mehr Angriffen haben. Selbstzensur setzt ein, die berühmte Schere im Kopf. Damit haben die Angreifer ihr Ziel erreicht. Das Ende der Pressefreiheit. Das soll mit “Hinterlandrauschen” nicht passieren.

Hier ein BR-Bericht des Pressegesprächs, bei dem ich auch von dem Vorfall in Weiden berichte.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass eine Gesellschaft sich gegen solche Angriffe wehrt. Doch wie? Was in Weiden/Oberpfalz getan werden kann, ist ziemlich klar.

Polizei reagiert falsch

Das Verhalten der Polizei Weiden zeigt, dass sie keine Ahnung von Presse- und Versammlungsrecht haben. Wie ich bereits in einem früheren Post ausgeführt habe, hat mir ein Beamter vor den Demonstranten vorgeworfen, ich würde provozieren und mache keine Pressearbeit. Das geschah ein paar Minuten, nachdem ich geschubst und gegen mich skandiert wurde. Als Veranstalterin Sonja Schuhmacher mir im öffentlichen Raum einen Platzverweis gegeben hat, sagte ein Beamter, ich solle mich entfernen und begründete das mit “Hausrecht”.

Das Schlimme jedoch ist, dass die Polizei Weiden bis jetzt nicht darauf reagiert hat. Auf meine vor mehr als einem Monat gestellte Dienstaufsichtsbeschwerde gab es noch keine Reaktion. Als der Deutschlandfunk nachfragte, wurde ihm eine Antwort verweigert. Der Weidener Runde Tisch für Neues Engagement fordert seit zwei Monaten ein klärendes Gespräch mit Polizei und Verwaltung. Auch darauf hat die Polizei noch nicht reagiert.

Auch in der Bielefelder Studie fordern Journalisten zuallererst mehr Unterstützung durch Polizei und Strafverfolgung, um besser vor Angriffen geschützt zu werden.

Ein Video des Jüdischen Forums etwa zeigt, wie sich Polizisten richtig verhalten. Sie drohen den Teilnehmern, sie von der Veranstaltung entfernen, wenn sie Journalisten angehen. Nicht wie in Weiden, wo ich als Journalistin aufgefordert werde zu gehen, wenn ich angegriffen werde.

Keine Reaktion der Politik

Die Veranstalterin der Demo hat mir am 12. Juli 2020 verboten, Fotos und Videoaufnahmen anzufertigen. Mehrmals erklärt sie öffentlich, dass das mit Polizei und Verwaltung abgesprochen gewesen sei, wie hier in einem Facebook-Post.

Screenshot aus Facebook.

Das Besorgniserregende: Sonja Schuhmacher ist gleichzeitig Stadträtin in Weiden. Die Pressestelle von Weiden hat gegenüber dem Magazin “Drehscheibe” dementiert, dass es eine Absprache mit dem Ordnungsamt gab. Das ist aber auch die einzige Reaktion, die es bis jetzt von der Stadt gab. Auf die Aufforderung zu einem Gespräch hat die Verwaltung nicht reagiert. Auch über das Dementi hinaus gab es keine öffentliche Stellungnahme. Laut der Bielefelder Studie wünschen sich befragte Journalisten mehr mehr öffentliche Solidarität und Unterstützung von politischer Seite aus, damit die Freiheit und Unabhängigkeit journalistischer Arbeit in Deutschland gewahrt werden kann. Auch im Falle von Weiden kann tatsächlich helfen, wenn die Politik mehr positive Signale gibt und betont, wie wichtig Pressefreiheit ist.

regionale presse ist still

Nicht nur die Polizei und die Stadt Weiden sind still. Auch die regionale Presse hat kaum auf die Vorfälle reagiert. Auch das habe ich in einem extra Post bereits ausgeführt. Das ist enttäuschend, denn als freie Journalistin ist die Rückendeckung durch Kollegen besonders wichtig. Auch die Bielefelder Studie betont, dass freie Medienschaffende ohne redaktionelle Anbindung mehr Rückhalt brauchen.

Zivilgesellschaft hilft

Als Reaktion auf die Angriffe formte sich ein gesellschaftliches Bündnis aus verschiedenen Parteien und Organisationen, die eine Demo auf die Beine stellten.

Flyer der Veranstaltung.

Sie ersetzten das Schweigen der Politik und der Verwaltung in der Stadt. Es tut gut, dass die Zivilgesellschaft wenigstens noch nicht versagt hat. Um eine Antwort auf die nächsten Wellen an Hass zu finden, braucht es jedoch auch Reaktionen von Politik, Staat und Medien.