Ein absurdes Bild für die einen, ein Symbol des Triumphes für die anderen: Die Querdenker, die Masken verweigern und die Krankheit Covid-19 anzweifeln, überhängen das Testcenter-Plakat während der Demo am 24. Oktober. Ob andere Kommunen das zugelassen hätten?

Viele Städte machen vor, wie eine Kommune auf Veranstaltungen von Querdenken oder der AfD reagieren kann – mit Gesetzen, Auflagen und Spenden. Weiden/Oberpfalz schöpft seine Mittel nicht aus – und zieht so immer mehr rechte Agitatoren in die Stadt.

Weiden am 24. Oktober 2020. Der Inzidenzwert hat die 100-er-Marke weit überschritten. “Mein Ziel ist es, das Infektionsgeschehen in Weiden jetzt einzudämmen”, lässt Weidens Oberbürgermeister Jens Meyer per Pressemitteilung verkünden. Dieser fromme Wunsch hat sich jedoch anscheinend nicht bis zum Ordnungsamt durchgesprochen. Denn etwa in derselben Geschwindigkeit, in der die Menschen sich mit dem Virus infizieren, melden die Querdenker immer neue Veranstaltungen an: Autocorso, Kundgebung, Fackelmarsch, Menschenkette – und kommen damit wohl ungehindert durch. “Es war ein konstruktives gut verlaufendes Gespräch”, berichtet Querdenken-Organisator Helmut Bauer zufrieden über das Kooperationsgespräch mit der Stadt am 16. Oktober.

Anderen Leuten und Organisationen wird es da schwerer gemacht. Herbert Schmid von Arbeit und Leben Weiden bestätigt gegenüber “Hinterlandrauschen”, er habe Anfang Oktober beim Ordnungsamt nachgefragt, ob eine Gegendemo in der Altstadt am 24. Oktober möglich wäre. Dort habe man ihm geantwortet, die gesamte Innenstadt sei Tabuzone an diesem Tag. Tatsächlich geschah am 24. Oktober dann folgendes: Dutzende Querdenker halten direkt im Herzen der Altstadt abends eine große Kundgebung ab, ohne Abstand und Maske, wie Endstation Rechts dokumentiert hat.

Ein Verbot einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel ist zum Glück sehr schwer, das garantiert das Grundgesetz. Doch jede Kommune hat die Möglichkeit, Auflagen zu erlassen, um Versammlungen beispielsweise sicherer machen – was bei einem Pandemie-Geschehen doch angebracht ist.

Was Weiden hätte tun können – und nicht getan hat:

  • 1. Den Fackelzug nicht am Klinikum vorbeiziehen lassen: Der Leserbrief einer Krankenschwester am Weidener Klinikum bringt die Kritik auf den Punkt. Die Coronaleugner-Demo direkt am Krankenhaus vorbeiziehen zu lassen ist für sie der “blanke Hohn”. Eine Demoroute umleiten ist kein großes Ding. Die Versammlungsbehörde hätte hier mehr Respekt gegenüber Kranken und Sterbenden zeigen können. Auch Fackeln oder das laute Trommeln hätte man verbieten können.
  • 2. Masken- und Abstandspflicht vorschreiben: Leute umarmen sich sogar auf der Bühne (wie Helmut Bauer und Sonja Schuhmacher), Maske tragen fast nur Journalist*innen und Demobeobachter. Das war das übliche Bild am 24.Oktober auf der Querdenken-Demo. Um das zu verhindern, hätte Weiden wie Mainz reagieren können, das auf “Auflagen wie Maskenpflicht und feste Abstände zwischen den Teilnehmern bestanden und angekündigt [hat], diese auch konsequent zu kontrollieren”, wie der SWR mitteilt. Die Veranstalter haben daraufhin die geplante Demo selbst abgesagt. Kaiserslautern hat die Veranstaltung sogar verboten, aus Sicherheitsgründen.
  • 3. Pressevertreter schützen: Während die Veranstaltungsteilnehmer den gesamten Festplatz einnahmen, drängte sich die Polizei meistens am Rand zum Eingang der Veranstaltung. Eine größere Präsenz hätte vielleicht verhindert, dass abermals Journalist*innen angegriffen werden. In diesem Fall wurde laut Onetz.de ein Journalist bespuckt. Ein kleiner Gegenprotest mit 10 Leuten wurde abseits der Veranstaltung demgegenüber regelrecht umringt von Polizeiwagen.

Eine Anfrage von “Hinterlandrauschen” an die Pressestelle der Stadt, welche Auflagen die Querdenken-Demo hatte und ob diese beim Überschreiten des Inzidenzwertes über 100 nochmal angepasst wurden, blieb bis heute unbeantwortet.

Der kleine Gegenprotest “Bierrausch statt Gehirnwäsche” mit etwa 10 Teilnehmern ist umringt von Polizeiwagen.

Querdenker planen fleißig ungehindert weiter

Das sind nur drei Mittel, mit denen die Kommune auf diese Veranstaltungen reagieren kann. Das hat sie nicht getan. Die Querdenker in Weiden und Umgebung planen deshalb fleißig weiter Autocorsos, Stände, Demos. Teilnehmer*innen aus dem rechten Milieu sind an der Tagesordnung und werden so immer wieder in die Stadt gezogen.

Und das, nachdem aus diesem Umfeld mehrmals Journalist*innen angegriffen wurden und Morddrohungen gegen Neustadts Bürgermeister Sebastian Dippold ausgesprochen wurden. “Der Staatsschutz war nach der Morddrohung bei mir und hat mir gesagt, man müsse den Grad der Radikalisierung dieser Szene in Weiden durchaus ernst nehmen”, sagt Dippold in einem Interview mit der TAZ. Es wirkt nicht so, als würde die Stadt Weiden diese Radikalisierung ernst nehmen.

Würzburg spendet Einnahmen aus AfD-Bürgerdialog

Ein weiteres Beispiel zur Inspiration für die Stadt Weiden: Der “AfD-Bürgerdialog Corona” tourte Ende September durch Bayern, und machte auch Halt in Würzburg und Weiden. Die Stadt Würzburg hat die Einnahmen aus der Vermietung der Stadthalle an die lokale Flüchtlingshilfe gespendet – auf Initiative des CSU-Bürgermeisters Christian Schuchardt. Weidens SPD-Bürgermeister Jens Meyer machte das nicht zum Thema.

Die Gegendemonstration fand in Würzburg, wie im bayerischen Versammlungsgesetz geregelt, unmittelbar vor dem Eingang in Sicht- und Hörweite statt, direkt vor der Stadthalle. In Weiden wurde die Gegendemo etwa 100 Meter weg auf die andere Straßenseite verlegt. Das hat gewirkt: “Ich habe die Gegendemo gar nicht gesehen”, lobte ein Redner beim AfD-Bürgerdialog in der Weidener Max-Reger-Halle.

Eine Frage des politischen Willens

Weiden scheint ein willkommenes Pflaster zu sein für Veranstaltungen von AfD und Querdenkern. Das ist keine Verwaltungsentscheidung, dahinter steht ein politischer Wille – oder zumindest Unwille, daran etwas zu ändern. Diese Entscheidung spiegelt wider, wie die Stadt sich auch in Zukunft gegen Rechts positioniert – gerade auch für den Bundestagswahlkampf 2021.